Frauen, die eine Krebs-Diagnose erhalten stehen erstmal vor einem Riesen Scherbenhaufen. Man muss sich emotional erstmal sammeln und dann versuchen sich alle möglichen Informationen zu beschaffen.
Mir selber war nicht klar, dass ich nach meiner Chemotherapie höchstwahrscheinlich keine Kinder mehr bekommen kann. Mein Mann und ich waren stets unsicher und haben das Thema immer weiter nach hinten geschoben. Mit der Diagnose beim Frauenarzt hatte mich meine Ärztin darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der Eizellenentnahme besteht.
Die bei einer Chemotherapie eingesetzten Medikamente, die Zytostatika, greifen alle mehr oder weniger direkt in die Zellteilung ein. Da die Zytostatika nicht zwischen gesunden und kranken Zellen unterscheiden, werden nicht nur die Krebszellen vernichtet, sondern auch intakte Zellen, d.h. auch Eierstöcke können betroffen sein. Dabei sind die Medikamente unterschiedlich fertilitätsschädigend. Und je älter eine Frau ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie durch die Behandlung unfruchtbar wird.
Kinderwunsch trotz Krebs
Krebs und Krebstherapien können die Eizellen oder Samenzellen schädigen. Das bedeutet, dass eine natürliche Zeugung erschwert oder nicht mehr möglich ist.
Wer in jungen Jahren an Krebs erkrankt, will vor allem geheilt werden. Aber was kommt nach der Krebserkrankung? Kann ich noch eine eigene Familie gründen? Mit meinen 35 Jahren wollte ich mir das definitiv noch offen halten. Denn ich wusste, dass mich die Krankheit verändern wird. Und auch meine Sicht auf einen Kinderwunsch.
Erst-Termin im Brustzentrum
Bei meinem ersten Termin hatte mich die Ärztin vom Brustzentrum auf unseren Kinderwunsch angesprochen und war eindeutig in Ihrer Aussage: Wenn wir uns noch unsicher seien, sollten wir weitere Vorkehrungen treffen. Ich war mir in dem Moment extrem unsicher. Nicht weil ich das Ganze nicht wollte, sondern weil ich nicht unnötig Zeit ins Land streichen lassen wollte. Ich hatte mit der Triple-Negativ Brustkrebs in Kombination mit einer sehr hohen Zellteilungsrate schon deutlich schlechte Karten und da sollte ich weitere zwei Wochen warten?
Meine Ärztin nahm mir die Angst. Die Therapie würde so schnell wie möglich starten und ich müsste mich ja auch noch einer kleinen Operation für den Port unterziehen. Da käme ich sowieso nicht drum rum. Wir hatten Glück, denn das Krankenhaus in dem ich mich behandeln lasse hat eine Kooperation mit einer Kinderwunschklinik. Zudem war gerade an dem Tag der Chef-Arzt sowie seine Frau, die ebenfalls Ärztin ist im Haus und konnten direkt meine Eierstöcke mittels Ultraschall untersuchen. Es sah vielversprechend aus – ich hatte im rechten Eierstock fünf Eizellen in Reserve.
Ich möchte dir einen Überblick über die Schritte geben, die ich durchlaufen habe und dir damit auch die Angst nehmen. Im Übrigen nehme ich dich in meinem Blog in jeden Schritt meiner Reise mit.
1. Beratung und Vorbereitung
- Beratungsgespräch: Du triffst dich mit einem Fertilitätsspezialisten, der dir den Ablauf erklärt, Risiken bespricht und prüft, ob eine Eizellentnahme vor der Chemotherapie in deinem Fall machbar ist.
- Bluttests und Ultraschall: Deine Hormonwerte werden überprüft, und ein Ultraschall wird durchgeführt, um die Eierstockreserve und deinen Zyklusstatus zu bestimmen.
- Zeitplan: Da die Chemotherapie oft zeitnah starten muss, wird der Eingriff beschleunigt. In vielen Fällen wird unabhängig vom Zyklustag mit der Hormonstimulation begonnen.
2. Hormonelle Stimulation
- Medikamente: Du bekommst Hormonspritzen, um die Reifung mehrerer Eizellen in den Eierstöcken anzuregen. Diese Medikamente werden meist subkutan (unter die Haut) injiziert, was du selbst machen kannst. Die Nadel ist so fein, dass es wirklich nicht weh tut. Und lass dir das von jemanden gesagt sein, der früher Panik vor Spritzen hatte.
- Überwachung: Während der Stimulationsphase (ca. 10–14 Tage) gehst du regelmäßig zur Kontrolle. Ultraschalluntersuchungen und Bluttests stellen sicher, dass die Eizellen gut wachsen und die Dosierung angepasst werden kann. Wir hatten in beiden Eierstöcken an die neun Eizellen – eine sehr gute Ausgangslage. Einen Tag später hatte ich den Termin für die Entnahme.
3. Auslösen des Eisprungs
- Wenn die Eizellen ausreichend gereift sind, wird der Eisprung durch eine einmalige Spritze (z. B. HCG oder GnRH-Agonisten) ausgelöst. Diese Spritze wird etwa 36 Stunden vor der Entnahme gegeben, um die Eizellen optimal vorzubereiten.
4. Eizellentnahme (Follikelpunktion)
- Ablauf: Die Eizellentnahme erfolgt unter leichter Narkose oder Sedierung in einem kurzen ambulanten Eingriff. Mit einer dünnen Nadel werden die Follikel (flüssigkeitsgefüllte Bläschen, die die Eizellen enthalten) durch die Scheidenwand punktiert und abgesaugt.
- Dauer: Der Eingriff dauert in der Regel 15–30 Minuten.
- Erholung: Nach der Punktion kannst du dich kurz ausruhen und wirst nach Hause entlassen. Du solltest dich an diesem Tag schonen.
5. Kryokonservierung der Eizellen
- Vitrifikation: Die entnommenen Eizellen werden in einem speziellen Verfahren (Vitrifikation) eingefroren, um ihre Qualität zu bewahren.
- Aufbewahrung: Die Eizellen können so lange wie nötig eingefroren bleiben, bis du dich später für eine Schwangerschaft entscheidest.
6. Spritze zum Schutz deiner Eierstöcke
Die Frauenärztin oder ein Onkologe kann dir Medikamente verschreiben, welche die Eierstöcke ruhigstellen. Das bedeutet, dass keinen Eizellen im Eierstock reifen. Diese Medikamente schützen die Eierstöcke vor Schäden der Krebstherapien. Diese Spritze wird monatlich verabreicht und versetzt dich quasi in künstliche Wechseljahre. Die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen! Seitdem ich diese Spritze nehme, habe ich leider ziemliche Durchschlaf-Probleme. Aber das sollte meiner Meinung nach bei einer Chemotherapie das kleinste Übel sein, wenn man weiß dass man vielleicht danach noch auf natürlichem Wege schwanger werden kann.
Diese Spritze steht dir auf jeden Fall zu. Bei mir hatte ich vorab leider etwas Probleme und hätte diese Spritze fast nicht bekommen, wenn nicht meine liebe Frauenärztin sich darum gekümmert hätte. Beim Erst-Gespräch wurde erwähnt, dass es diese Spritze gibt. Nur leider hat sich keiner darum gekümmert das Rezept zu bestellen sowie mir diese zu verabreichen. Einen Tag vor Beginn der Chemotherapie, wohlgemerkt an einem Freitag fiel mir selber ein, dass ich diese Spritze noch nicht erhalten hatte. Also wurde ich selbst tätig und rief bei meinem Frauenarzt an. Leider hatten diese an dem Tag eigentlich keine Zeit für eine Sprechstunde. Ich ging trotzdem in die Praxis und sagte ich würde so lange warten wie nötig. Eine halbe Stunde später hatte mich die Frauenärztin, die sich mit Fertilitätsmedizin bestens auskennt, in Empfang genommen. Sie war erschüttert und sehr sauer, dass sich im Brustzentrum keiner darum gekümmert hatte. Es war nun schon Mittags und in der Praxis fand eine Fortbildung statt. Diese unglaublich hilfsbereite Ärztin schickte mich mit einem Rezept zur Apotheke. Mit viel Glück wurde ich in der zweiten fündig und kehrte in die Praxis zurück, wo mir dann die Spritze verabreicht wurde. Ich bin dieser Ärztin unglaublich dankbar und hatte ihr nachträglich noch Pralinen vorbeigebracht. Leider gibt es im Brustzentrum sowie in der Onkologie einige organisatorische Änderungen. Davor hatte mich meine Hausärztin ja bereits gewarnt. Andere Patientinnen wären wohlmöglich selber nicht tätig geworden und hätten so Ihre Chance auf eine natürliche Schwangerschaft vertan. Naja shit happens und aus Fehlern lernt man. Auch Ärzte.
7. Beginn der Chemotherapie
- Sobald die Eizellen entnommen und eingefroren sind, kannst du deine Chemotherapie starten. Die Entnahme und der Stimulationsprozess können so geplant werden, dass keine Zeit verloren geht.
8. Nach der Krebsbehandlung
Um mit diesen eingefrorenen Eizellen schwanger zu werden, benötigst du eine künstliche Befruchtung. Deine Eizellen werden im Reagenzglas mit den Spermien deines Partners befruchtet. Diese befruchteten Eizellen setzt Ihnen der Reproduktions-Mediziner während eines Transfers wieder ein.
Wichtige Hinweise
- Dringlichkeit: Da die Chemotherapie schnell beginnen sollte, wird das Verfahren in einer stark beschleunigten Form durchgeführt. Eine Entnahme innerhalb von 2 Wochen nach der Beratung ist möglich.
- Kosten: In Deutschland übernehmen viele Krankenkassen anteilig die Kosten für die Fruchtbarkeitserhaltung, besonders bei jungen Patient:innen. Ich hatte das große Glück, dass meine Krankenkasse die Kosten zu 100% übernommen hat. Wir mussten lediglich das Spermiogramm meines Mannes zahlen. Dieser belief sich auf 50€.
Nach meiner Eizellenentnahme war ich schnell wieder fit. Ich hatte keine Schmerzen und konnte direkt danach einen weiteren Termin im Krankenhaus wahrnehmen. Denn ja – es musste alles sehr schnell gehen. Wenn du mehr über den Ärzte-Marathon und die einzelnen Schritte vor Beginn einer Chemotherapie bei Triple-Negativem Brustkrebs erfahren willst, lies hier gerne meinen Artikel.
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