Es fühlt sich an wie gestern als ich die Diagnose Brustkrebs Triple Negativ erhalten habe. Ich weiß noch genau wie ich in der Frauenarzt Praxis ins Behandlungszimmer gerufen wurde. Zunächst total entspannt, denn ich hatte doch eigentlich nichts zu befürchten. Die Wochen zuvor hieß es, dass ich lediglich ein Fibroadenom habe. Einen gutartigen Knoten, den viele Frauen im Laufe ihres Lebens bekommen. Naja, an diesem Tag kam es ganz anders. Ich dachte, dass die Diagnose weiterhin Fibroadenom lautet. Die Worte, die ich von meiner Ärztin hören musste waren aber andere: „Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich muss Ihnen sagen, dass Sie Brustkrebs haben!“.
Keiner kann sich vorstellen wie sich diese Worte anfühlen. Ich konnte erst gar nicht reagieren. Die Worte wollten einfach nicht in meinen Kopf eindringen. Meine Ärztin erklärte mir, dass Sie selber total geschockt war. Sie haben absolut nicht damit gerechnet. „Sie sind ganz besonders…“. Eigentlich hört man diese Worte gerne. Im Fall einer Krebs-Diagnose ist es genau das Gegenteil. Ich wollte nicht besonders sein.
Zwei Wochen zuvor war ich mit meinem Mann auf einer Taufe eingeladen. Alles war normal, alles wie immer. Abends unter der Dusche spürte ich einen Knoten in der Brust. Ich war alarmiert und machte mir einen Tag später einen Termin bei meinem Frauenarzt. Meine Ärztin hatte einen Ultraschall vorgeschlagen und so sah sie sich meine Brust an. In der linken Brust ertastete und erkannte sie ein Fibroadenom. Ein gutartigen Knoten, wie man ihn als Frau im Laufe des Lebens bekommt. Völlig unspektakulär, doch war mein erster Gedanke, dass ich diesen Fremdkörper loswerden will. Da mein Brustgewebe allerdings sehr dicht ist, hatte meine Ärztin vorgeschlagen eine Mammographie sowie Stanzbiospie vorzunehmen. Einfach der Gewissheit halber. Die Reihenfolge konnte ich mir aussuchen. Also bekam ich zunächst den Termin im Krankenhaus. Zuhause habe ich erstmal, so wie es sicherlich viele machen, gegoogelt und auf YouTube nach Videos gesucht. So ein Fibroadenom war wirklich nichts schlimmes. Und trotzdem wurden mir auch Videos und Artikel zu Brustkrebs angezeigt. Und so hatte ich mir ein Video auf YouTube von einer jungen Patientin angesehen, die gerade eine Chemotherapie durchmachte. Diese arme Frau dachte ich mir. So ohne Haare auf dem Kopf, ganz blass und vom Cortison aufgedunsen sah sie extrem krank aus. Sie erzählte von der Chemotherapie und der anstehenden Operation. Von den Ärzten hat sie bereits einen Ordner bekommen, darunter auch eine leere Registerkarte mit der Patientenverfügung. Ich dachte mir selber noch wie krank das einfach ist. Man weiß ja, dass man gerade dann vorsorgen soll. Aber macht das einem Hoffnung, wenn man betroffen ist und mit dem Leben ringt? Wohl kaum.
Meine Freunde hatte ich zu der Zeit eingeweiht. Sie beruhigten mich damit, dass Brustkrebs keine Schmerzen verursacht. Denn ich spürte seitdem ich den Knoten ertastet hatte ein Zwicken in meiner Brust. Wie immer dachte ich mir, mein Gott es wird nichts sein. Jedes Mal rennt man zum Arzt und am Ende ist doch eh wieder alles gut. Auch meine Arbeitskollegin meinte, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Ich musste für den Termin im Krankenhaus früher von der Arbeit weg und die Stunden nacharbeiten. Ich weiß noch, wie mich das aufgeregt hat. Viele Kleinigkeiten haben mich immer aufgeregt. Warum eigentlich.
Ich hatte gehört, dass eine Mammographie weh tun soll. Da ich keine große Brust habe, fragte ich mich ohnehin wie das funktionieren soll. Aber da ja selbst Männer Brustkrebs haben muss es ja irgendwie gehen. Und es klappte und ja es tat etwas weh. Aber es war auszuhalten. Doch es gibt sicher schöneres als sich die Brüste zwischen einer Plexiglas-Scheibe einquetschen zu lassen. Nach der Mammographie folgte noch eine Tast-Untersuchung sowie ein Gespräch mit dem Arzt. Als mich der Arzt im Krankenhaus ins Behandlungszimmer aufrief dachte ich mir noch warum schaut der mich so sorgenvoll an. Ob ich es mir vielleicht eingebildet habe? Ich weiß es nicht. Oft habe ich Blicke von Menschen versucht zu deuten und mir am Ende nur Blödsinn eingebildet. So bin ich nun mal. Man sollte definitiv nicht immer alles auf sich selber beziehen. Der Arzt meinte auch nur wieder, dass es sich wahrscheinlich um einen gutartigen Knoten handelt. Verwies mich aber auch zur Biopsie. Um sicher zu gehen… So junge Frauen wie ich haben normalerweise keinen Brustkrebs. Und diese Sicherheit wollte ich definitiv haben. Also machte ich mich nach dem Termin direkt auf den Weg zum Frauenarzt um schnellstmöglich einen Termin zu bekommen. Den sollte ich auch direkt am nächsten Tag bekommen. Dank Gleitzeit, konnte ich mir meine Arbeitszeiten so legen wie ich es will. Vor der Biopsie hatte ich schon etwas mehr Respekt. Mit einer Hohlnadel wird aus dem Knoten Gewebe herausgestanzt. Das Ganze drei-vier Mal. Wie mit einem Tacker sticht man rein und so hört es sich auch an. Je mehr Proben, desto gesicherter das Ergebnis. Und mal ehrlich? Es tat nicht weh. Allein die Nadel zur Betäubung piekste kurz und war auszuhalten. Nach der Biopsie sollte ich noch die Nacht über einen Sport-BH tragen. Da ich damit so gar nicht schlafen konnte, habe ich mir das ätzende Ding nachts ausgezogen. Schmerzen hatte ich keine mehr.
Die nächsten Tage wartete ich auf den erlösenden Anruf, doch auch im Telefonat erfuhr ich nicht mehr. Ich sollte in die Praxis kommen. Allein das machte mir schon große Sorgen. Meine Arbeitskollegin meinte, sie würden eine schlechte Nachricht direkt am Telefon verkünden und nicht so lange warten. Aber warum hatten Sie dann nicht schon beim ersten Anruf gesagt, dass nichts weiter ist? Zwischen Anruf und Termin lagen nämlich ganze drei Tage. Das machte mir ein ungute Gefühl.
Meine Ärztin war selber geschockt und hatte die Diagnose Brustkrebs nicht erwartet. Sie sprach davon, dass ich ein sehr schlechtes Grading habe(G3). Ein höherer Grad, so wie ich ihn habe bedeutet, dass ein Tumor schneller wächst und eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass er sich ausbreitet. In dem Moment war ich mit der Diagnose so überfordert, dass ich damit gar nichts anfangen konnte. Und so stellte ich auch keine Fragen. Meine Ärztin sagte mir, dass ich um eine Chemotherapie nicht drumrum komme. Ich fing an zu weinen. So bescheuert es mir jetzt vorkommt, dachte ich mir: Scheiße, ich verliere meine Haare. Nein, ich dachte nicht daran zu sterben. Und das ist gerade mit der Diagnose Triple Negativ garnicht mal so abwegig. Triple-negativer Brustkrebs hat ein hohes Metastasierungs- und Rezidivrisiko sowie eine schlechte Prognose.
Zum Termin bin ich zu Fuß gegangen. Die Frauenarzt-Praxis, zu der ich seit meiner Jugend hingehe, befindet sich nur ein paar Straßen von unserer Wohnung entfernt. Ich wollte an dem Tag das schöne Wetter genießen. Hätte ich geahnt mit welcher Diagnose ich die Praxis verlasse, wäre ich nicht alleine hingegangen. Den ganzen Heimweg über habe ich geweint. Versteckt hinter meiner großen schwarzen Sonnenbrille, die ich mir erst vor kurzem im Italien-Urlaub gekauft hatte. Und trotzdem war es mir egal was die Menschen um mich herum davon mitbekommen. Ich war in einem Tunnel. Zuhause war ich komplett überfordert und weinte laut weiter. Ich hatte meinen Freunden und meiner Familie direkt geschrieben, dass ich Brustkrebs habe.
Meinem Mann musste ich es persönlich sagen. All die Untersuchungen hatte er zuvor nicht mitbekommen. Er war völlig überfordert mit der Diagnose und war noch in dem Glauben, dass ich vielleicht doch keinen Krebs habe. Der Bericht von der Biopsie sagte aber etwas anderes. Auch hatte ich das Ausmaß der Erkrankung erst einen Tag später auf dem Arztbrief gelesen, den mir meine Frauenärztin mitgegeben hatte. Der Tumor war ein schnell wachsender. Ich sah mein Leben an mir vorbeiziehen. Hatte ich doch gerade so viele Pläne mehr aus mir zu machen. Tja so schnell kann es gehen… Gesundheit ist nun mal das allerwichtigste im Leben. Die Nacht hatte ich kaum geschlafen. Ich habe mich am nächsten Tag morgens fertiggemacht und bin zur Arbeit gefahren. Ich hatte noch einiges zu erledigen und wollte meinen Chefs die Nachricht persönlich überbringen. Schließlich würde ich ungefähr ein Jahr ausfallen. Kaum vorstellbar so lange zuhause zu sein.
Im Büro sah ich meine Arbeitskollegin und brach in Tränen aus. Sie konnte es selber nicht fassen. Wie denn auch… Brustkrebs mit 35 ? Hatte ich zuvor auch nie von gehört. Meine Chefs waren sehr lieb zu mir. Sie versuchten mir Mut zu machen und erzählten von Fällen aus Ihrem direkten Umfeld und dass ich es erst recht schaffen würde wieder gesund zu werden. Meine Arbeit würde ich in einem Jahr genauso fortführen können – das stand außer Frage. Ich erledigte meine letzten Aufgaben, verabschiedete mich und fuhr nachhause.
Zuhause angekommen verfiel ich erstmal in meinen Recherche-Modus. Ich suchte alle Informationen rund um Triple-Negativen Brustkrebs zusammen. Und was ich so fand erschütterte mich. Die Prognose und auch die Behandlung ist ernüchternd. Die Informationen, die ich im Netz fand waren leider bereits veraltet. Jeder weiß, dass sich gerade in der Krebsbehandlung in einer Zeitspanne einiges ändern kann. Also suchte ich weiter und stieß auf einen YouTube-Kanal einer jungen Frau, die mit gerade mal 23 Jahren dasselbe Schicksal teilte. Erst erkrankte Sie an Brustkrebs und ein Jahr später Ihre Zwillings-Schwester, trotz negativem Gen-Test. Ich suchtete alle Ihre Videos. Den ganzen Tag saß ich auf dem Sofa mit meinem Handy in der Hand und saugte alle Informationen auf. Die junge Frau berichtete, dass Sie an einer Studie teilnahm. Ich dachte direkt an eine Laborratte, an der fleißig getestet wurde.
Lies hier mehr zu Klinischen Studien.
Mir war gar nicht klar, dass es mehrere Möglichkeiten einer Krebstherapie gibt und dass es sogar Krebsformen gibt, bei denen eine Therapie in Form von Tabletten ausreichend ist. Noch wichtiger für mich: Dass man die Haare behalten kann. Erst später erfuhr ich, dass es für mich ohnehin keine Wahl gab. Bei meiner Diagnose und meinem jungen Alter musste ich die stärkste Chemotherapie bekommen und die Therapie würde neben Operation und Bestrahlung auch noch eine Immuntherapie beinhalten. Es würde sich also alles sehr lange hinziehen. Ich hätte nie gedacht, dass ich Krebs habe und mich gut fühlen könnte. Doch genau so ist es. Und meiner Meinung nach habe ich das alles einer ausgewogenen Ernährung, dem Verzicht auf Zucker sowie entzündungsfördernde Lebensmittel sowie Bewegung und einem positiven Mindset zu verdanken. Seit meiner Diagnose habe ich automatisch auf alles ungesunde verzichtet und es fällt mir nicht einmal schwer. Selbst Kaffee trinke ich nicht mehr. Auch wenn dieser eigentlich garnicht so ungesund ist. Lies hier weiter, wenn du wissen willst welche Lebensmittel ich zu meinem Speiseplan hinzugefügt habe.
Vor einer Woche, rund sechs Wochen nach Beginn der Chemotherapie hatte ich meine erste Ultraschall-Untersuchung. Und sie schlägt an und das sogar extrem gut. Der Tumor ist von drei auf einen Zentimeter geschrumpft. So kann und wird es weitergehen, denn ich bin eine Kämpferin. Und du bist es auch!
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