Bevor neue Medikamente oder Therapien, beispielsweise zur Behandlung von Brustkrebs, zugelassen werden, müssen sie mehrere Studienphasen durchlaufen. Zunächst werden sie im Labor getestet und, falls notwendig, in Tierversuchen geprüft. Nur wenn diese präklinischen Untersuchungen vielversprechende Ergebnisse liefern, können klinische Studien mit freiwilligen Teilnehmer:innen geplant und umgesetzt werden.
Hast du gerade erst deine Brustkrebs-Diagnose erhalten? Dann stehst du wahrscheinlich vor der großen Frage, ob du an einer Studie teilnehmen kannst bzw. willst. Dieser Artikel soll dir dabei helfen zu verstehen, was eine klinische Studie ist, ob es sinnvoll ist an einer teilzunehmen und dir die Angst davor nehmen.
Was ist eine klinische Studie?
Diese Studien beschäftigen sich häufig mit der Frage, wie eine Erkrankung besser behandelt, frühzeitiger erkannt oder sogar verhindert werden kann. Ziel ist es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit der neuen Behandlung, Methode oder Untersuchung zu bestätigen. Pharmaunternehmen oder andere verantwortliche Institutionen, die solche Studien durchführen, stehen dabei unter strenger behördlicher Aufsicht.
Klinische Studien starten in der Regel mit einer kleinen Gruppe gesunder Teilnehmer:innen (Phase I), um mögliche Nebenwirkungen zu analysieren. Anschließend wird die Behandlung an Patient:innen getestet, für die sie entwickelt wurde (Phasen II und III). Nach der Zulassung kann in Phase IV die langfristige Wirkung weiter untersucht werden. Patient:innen, die für eine Studienteilnahme infrage kommen, werden häufig von ihren behandelnden Ärzt:innen auf diese Möglichkeit hingewiesen.
Für die Zulassung neuer Medikamente oder Verfahren sind umfangreiche randomisierte, kontrollierte Studien erforderlich, die in der Regel Phase-III-Studien darstellen. In solchen Studien wird die Behandlungsgruppe mit einer Kontrollgruppe verglichen. Diese erhält entweder das neue Medikament oder eine bereits zugelassene Standardbehandlung.
Die Zuweisung der Patient:innen zu den Gruppen erfolgt zufällig (randomisiert), um sicherzustellen, dass beide Gruppen vergleichbare Eigenschaften aufweisen und keine äußeren Einflüsse die Ergebnisse verfälschen. Hochwertige klinische Studien sind zudem doppelt verblindet. Das bedeutet, dass weder die Patient:innen noch die Studienleiter:innen wissen, welcher Gruppe die Teilnehmenden zugeordnet sind. Diese Verblindung verhindert, dass Erwartungen der Behandelnden oder der Teilnehmenden die Ergebnisse beeinflussen und sorgt so für eine objektive Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit der neuen Therapie.
Als ich meine Brustkrebs-Diagnose im September 2024 erhielt, hatte ich bei einer jungen Frau mit demselben Schicksal erfahren, dass die Möglichkeit besteht an Studien teilzunehmen. Ich hatte zwar schon vorher gewusst, dass es Studien gibt. Allerdings nie im Zusammenhang mit Krebserkrankungen. Ich wusste auch, dass sie eine große Chance für eine erfolgversprechende Behandlung sein können. Und trotzdem schwelgt da ein unangenehmes Gefühl mit. Als ich mich einer renommierten Klinik in Nordrhein-Westfalen vorstellte, habe ich das Thema direkt angesprochen. Die Ärztin konnte direkt vor Ort im Studienbüro abgleichen, ob ich mit meiner Erkrankung an einer Studie teilnehmen kann. Mir wurde direkt das Studienprotokoll mitgegeben.Das Studienprotokoll beinhaltet alle Informationen zum Ziel der Studie und beschreibt detailliert ihre Methodik und Organisation. Mir fielen direkt die zahlreichen Nebenwirkungen auf, die aber verglichen mit dem Standard-Medikament nicht gravierender waren.
Auf der Heimfahrt las ich mir das Studienprotokoll sorgfältig durch und war total verwirrt. Nicht weil ich nicht verstand was da drin stand, sondern weil mir die Wahl der Klinik so schwer fiel. Ich hatte davon gehört, dass die Chemotherapie sehr anstrengend sein kann. Für die Klinik mit der Studienteilnahme hätte ich eine lange Anfahrt in Kauf nehmen müssen. Und auch den schlimmen Straßenverkehr gleich dazu. Wer in einer größeren Stadt lebt, kann sich hier glücklich schätzen.
Wie läuft eine klinische Studie ab?
Wer an einer klinischen Studie teilnimmt, kann mit den folgenden Phasen rechnen:
1. Aufklärungsgespräch
Zu Beginn der Studie findet ein ausführliches Aufklärungsgespräch statt. Dabei werden die Details der Studie erklärt, wie das Ziel, die Behandlungsart und das zu testende Medikament. Auch mögliche Risiken werden transparent besprochen. Das Gespräch ist unverbindlich, und die Teilnehmenden können Fragen stellen sowie eventuelle Bedenken äußern. Du hast auch danach immer noch die Möglichkeit im Studienbüro anzurufen oder nochmal ein Gespräch anzufordern.
2. Einverständnis
Die Teilnahme an einer klinischen Studie ist freiwillig. Patient:innen, die teilnehmen möchten, müssen ihr Einverständnis schriftlich bestätigen. Dieses kann jederzeit, auch während der Studie, widerrufen werden, ohne dass Gründe genannt werden müssen. Alternativ steht eine weitere Behandlung mit bereits zugelassenen Therapiemöglichkeiten offen.
3. Studienbeginn
Vor dem Start wird geprüft, ob die Teilnehmenden die festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien erfüllen (z. B. Alter, Diagnose, Vortherapien). Bei Eignung erfolgt die zufällige Zuteilung in eine Gruppe. Patient:innen erhalten entweder das neue Medikament oder gehören zur Kontrollgruppe, die ein Placebo oder eine bestehende Standardtherapie bekommt.
4. Studiendauer
Während der gesamten Studie werden regelmäßige Untersuchungen durchgeführt, um den Gesundheitszustand der Teilnehmenden zu überwachen. So können die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung überprüft werden. Sicherheitsaspekte stehen im Fokus: Wenn Risiken zu hoch sind, kann die Studie abgebrochen werden. Zeigt die neue Therapie außergewöhnlich positive Ergebnisse, kann die Studie vorzeitig beendet werden, um die Behandlung allen Teilnehmenden zugänglich zu machen.
5. Studienabschluss
Am Ende der Studie werden die Daten anonymisiert ausgewertet und die Ergebnisse veröffentlicht. Der Datenschutz wird dabei durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gewährleistet, sodass die Identität der Teilnehmenden geschützt bleibt.
In meinem Fall hatte ich zunächst überlegt an der Studie teilzunehmen und falls ich dann doch in die Kontrollgruppe mit dem Standard-Medikament gekommen wäre, aus der Studie auszutreten. Das ist natürlich offiziell nicht erwünscht, wäre aber aufgrund der langen Anfahrt für mich die logische Konsequenz gewesen.
Ich möchte dir auch noch die Vor- und Nachteile aufzeigen, damit du deine Entscheidung treffen kannst. Ich weiß wie schwierig diese sein kann. Ich fühle das total nach, denn mir ging es genauso. Das eigene Leben kann von dieser Entscheidung abhängen. Trotzdem solltest du keine Angst davor haben, eine Therapie mit bereits zugelassenen Medikamenten zu wählen. Manchmal spielen auch noch weitere Faktoren bei der Entscheidung mit wie z.B. habe ich Kinder, wo ich es mir zeitlich nicht leisten kann so lange von zuhause weg zu sein?
Welche Vor- und Nachteile sind mit einer Teilnahme an einer klinischen Studie verbunden?
- Die Teilnahme an einer klinischen Studie bietet Patient:innen die Möglichkeit, frühzeitig Zugang zu innovativen und potenziell wirksameren Behandlungen zu erhalten. Gleichzeitig profitieren sie von intensiver medizinischer Betreuung und gründlichen Untersuchungen während der Studiendauer.
- Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht garantiert werden kann, dass Teilnehmer:innen das neue Medikament erhalten, da die Studien oft mit einer Vergleichsbehandlung durchgeführt werden. Zudem kann die neue Behandlung besser oder weniger wirksam sein als die Vergleichsoption.
- Die Teilnahme erfordert Zeit und Planung, da regelmäßige Untersuchungen und Termine wahrgenommen werden müssen. Darüber hinaus besteht ein Restrisiko für unerwartete Nebenwirkungen. Sollte es in äußerst seltenen Fällen zu einem gesundheitlichen Schaden kommen, sind Teilnehmer:innen durch gesetzlich vorgeschriebene Patient:innenversicherungen abgesichert, die im Bedarfsfall Entschädigungen leisten.
- Mit ihrer Teilnahme leisten Patient:innen einen wertvollen Beitrag zum medizinischen Fortschritt. Sie helfen dabei, zukünftige Behandlungen sicherer und effektiver zu machen und so die Versorgung für andere zu verbessern.
Wie soll ich mich entscheiden?
Die Entscheidung, ob man an einer klinischen Studie teilnimmt, ist nicht leicht und erfordert eine sorgfältige Abwägung. Es gibt viele Faktoren zu bedenken: die Chancen auf neue, vielversprechende Behandlungen, der Zeitaufwand, mögliche Risiken und die Verpflichtung zu regelmäßigen Terminen. Gleichzeitig bietet die Teilnahme die Möglichkeit, aktiv zur Forschung beizutragen und anderen Menschen in der Zukunft zu helfen.
Doch bei all diesen Überlegungen darf eines nicht vergessen werden: Dein Bauchgefühl. Natürlich ist es wichtig, die Fakten zu kennen und sich umfassend zu informieren. Aber am Ende spürst du selbst am besten, was sich richtig für dich anfühlt.
Stell dir die Frage: Kannst du mit der Entscheidung gut leben? Fühlst du dich sicher und wohl damit? Manchmal sind es nicht die Zahlen, Argumente oder Statistiken, die die richtige Wahl bestimmen, sondern dein inneres Gefühl.
Hör auf dein Herz – und deinen Bauch. Denn sie wissen oft mehr, als du denkst.
Ich möchte dir dazu meine Geschichte erzählen und wie ich für mich meine Entscheidung treffen konnte. Als ich mir von meiner Hausärztin ein Rezept für eine Perücke verschreiben lassen wollte, war ich weiterhin total unsicher ob ich an einer Studie teilnehmen soll oder nicht. Ich hatte meine Hausärztin nach Ihrer Meinung gebeten. Ihre Aussage war eindeutig. Sie hatte mir dazu geraten die Behandlung in der Klinik mit Studie zu machen. Die Klinik in meinem Ort hatte ebenfalls einen guten Ruf, allerdings wurde die Praxis von zwei Ärzten geführt wovon ein Arzt verstorben war. Die Organisation der Praxis litt darunter. Das wusste meine Ärztin, da sie dort selber Schichten in der Notfallambulanz hatte und davon wusste. Das hatte mich noch mehr verunsichert. Wer mich persönlich kennt, weiß wie schwer mir Entscheidungen fallen. Manchmal kann ich mich noch nicht mal für ein Essen auf der Speisekarte im Restaurant entscheiden – und jetzt sowas. Meine Hausärztin verschrieb mir die Perücke und ich ging zum Empfang. Dort angekommen sprach mich eine Arzthelferin an, dass mein Ehemann gerade angerufen hatte. Er brauchte einen Ausdruck seiner Krankmeldung, da er mich bei dem Ärztemarathon begleitet hatte. Genau da erfuhr die Arzthelferin, die ich übrigens aus Kindheitstagen kenne von meiner Krebsdiagnose und nahm mich in ein Behandlungszimmer mit. In dem Moment als ich mich setzte sagte sie mir, dass Sie von 13 Jahren genau dieselbe Diagnose hatte – Triple Negativen Brustkrebs. Ich war perplex. Sie war so lieb zu mir und nahm sich lange Zeit für ein Gespräch mit mir. Das gab mir zum einem große Hoffnung auf eine Heilung und auch Klarheit hinsichtlich meiner Entscheidung für die Klinik. Denn Sie hatte Ihre Therapie in der Praxis im Krankenhaus vor Ort gemacht, von der mir meine Hausärztin zunächst abgeraten hatte. Das konnte einfach kein Zufall sein. Das sagte mir die Arzthelferin und mir war es auch klar. Ich war unglaublich dankbar für dieses Gespräch, denn so konnte ich endlich meine Entscheidung treffen. Und was soll ich sagen, meine Entscheidung war goldrichtig. Nach sechs Wochen Chemotherapie mit dem Standard-Medikament ist mein Tumor von drei auf einen Zentimeter geschrumpft. Ich habe alles richtig gemacht.
Manchmal braucht es etwas Zeit, Gespräche mit Bekannten, Freunden und Familie und eine Eingebung wie diese. Ich hoffe für dich, dass du dich entscheiden kannst. Wie auch immer diese ausfällt, du machst nichts falsch.
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